WCAG 2.2 und Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – was Unternehmen wissen müssen

WCAG 2.2 und Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – was Unternehmen wissen müssen

Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer fünfteiligen Reihe zum Thema Barrierefreiheit digitaler Angebote. Anlass sind die Gesetzesneuerungen, die 2025 diesbezüglich anstehen. In der Artikelserie erläutern wir, worauf sich Unternehmen einstellen müssen und was sie jetzt schon unternehmen können, um alle Anforderungen an die Barrierefreiheit zu erfüllen.

Barrierefreiheit ist heutzutage nicht mehr optional, sondern eine Notwendigkeit. Sie wird sowohl durch gesetzliche Vorgaben als auch durch die steigende Nachfrage der Verbraucher getrieben. Zwei zentrale Regelwerke – die WCAG 2.2 (Richtlinien für barrierefreie Webinhalte) und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – fordern Unternehmen dazu auf, die digitale Barrierefreiheit zu verbessern. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird bald verpflichtend. Das BFSG setzt eine Frist bis zum 28. Juni 2025, bis dahin müssen die Anforderungen umgesetzt sein.

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Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie die notwendigen Maßnahmen jetzt verstehen und umsetzen müssen, sodass ihre digitalen Dienste für alle Benutzer zugänglich sind, einschließlich Menschen mit Behinderungen und funktionellen Einschränkungen.

In diesem Artikel wollen wir eine Übersicht der wichtigsten Aspekte der WCAG 2.2 und des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes geben sowie die wesentlichen Schritte aufzeigen, die Unternehmen durchführen müssen, um die neuen Normen zu erfüllen.

WCAG 2.2 verstehen

Die Web Content Accessibility Guidelines 2.2 bauen auf früheren Versionen (WCAG 2.0 und 2.1) auf. Das Ziel ist nach wie vor, Webinhalte für eine breitere Gruppe von Menschen mit Behinderungen zugänglicher zu machen. Dazu gehören auditive, kognitive, neurologische, physische, sprachliche und visuelle Behinderungen. Die Kernprinzipien bleiben unverändert: Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Jedoch führt WCAG 2.2 neue Erfolgskriterien ein, um die Barrierefreiheit insbesondere bei Benutzerschnittstellen und Eingabemethoden zu verbessern.

Neue Erfolgskriterien der WCAG 2.2-Richtlinien

  • Fokusdarstellung: Tastatur-Fokusindikatoren müssen gut sichtbar sein, um Benutzern mit motorischen Einschränkungen oder Hilfstechnologien das Navigieren auf Websites zu erleichtern.
  • Ziehbewegungen: Es braucht Alternativen zu Drag-and-Drop-Aktionen, z. B. eine Schaltfläche, damit Benutzer Aufgaben auf verschiedene Weise ausführen können.
  • Zielgröße: Hier geht es um Mindestanforderungen für die Größe anklickbarer Elemente (z. B. Schaltflächen), um ein versehentliches Tippen, vor allem auf mobilen Geräten, zu verhindern.
  • Anzahl der Eingaben: Es sollten möglichst wenig oder keine redundanten Dateneingaben verlangt werden, da dies für Menschen mit kognitiven oder motorischen Einschränkungen eine Herausforderung darstellen kann.

Mit der Einhaltung dieser Richtlinien erfüllen Unternehmen nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern sie verbessern generell die Benutzererfahrung auf ihren digitalen Angeboten. Barrierefreie Websites und Apps schneiden bei den Nutzern in der Regel besser ab, sie sorgen für weniger Frustration und erhöhen das Engagement.

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Was will das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Umsetzung des European Accessibility Act (EAA)

Das BFSG zielt darauf ab, die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit, des sogenannten European Accessibility Act (EAA), in nationales Recht umzusetzen. Dieser Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit gilt seit Juni 2019 und verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, entsprechende nationale Verordnungen zu erlassen. In Deutschland wird das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz diese Richtlinie national umsetzen. Als Stichtag für die Barrierefreiheit setzt das BFSG den 28. Juni 2025 fest. 

Das BFSG gilt für eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, darunter Computer, Smartphones, Geldautomaten, E-Books und Bankdienstleistungen. Das Gesetz verlangt, dass Unternehmen ihre digitalen Dienste für Menschen mit Behinderungen oder anderen funktionellen Einschränkungen zugänglich machen. Zu diesen funktionellen Einschränkungen gehören auch vorübergehende oder situationsbedingte Einschränkungen wie ein gebrochener Arm oder die Nutzung eines Mobiltelefons bei grellem Sonnenlicht. Ziel ist es, eine inklusivere digitale Welt zu schaffen, in der Menschen aller Fähigkeiten vollständig an der digitalen Wirtschaft teilhaben können.

Wichtige Aspekte des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes

  • Frist zur Einhaltung: Bis zum 28. Juni 2025 müssen alle Produkte und Dienstleistungen, die unter das BFSG fallen, die Barrierefreiheitsstandards erfüllen. Dies betrifft sowohl öffentliche als auch private Dienstleistungen, von Banken bis hin zu E-Commerce-Plattformen.
  • Interaktion mit Verbrauchern: Das BFSG gilt für alle verbraucherorientierten Produkte und Dienstleistungen, einschließlich physischer Gegenstände wie Selbstbedienungskioske und Ticketautomaten, sowie für Websites.
  • Ausnahmen: Das BFSG sieht Ausnahmen für Kleinstunternehmen (mit weniger als 10 Mitarbeitern oder einem Umsatz von unter 2 Millionen Euro) sowie für unveränderte Inhalte Dritter und Archivmaterialien vor.

Was Unternehmen jetzt tun müssen

  1. Audit Ihrer digitalen Produkte
: Beginnen Sie mit einem gründlichen Audit Ihrer Website, mobilen Apps und digitalen Dienste, um Hürden in der Barrierefreiheit zu identifizieren. Dieses Audit sollte sowohl die WCAG 2.2-Richtlinien als auch die spezifischen Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes berücksichtigen.
  2. WCAG 2.2 Erfolgskriterien umsetzen: 
Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre digitalen Angebote den neuen WCAG 2.2-Standards entsprechen, z. B. sichtbare Fokusindikatoren, größere Schaltflächen und Alternativen zu Drag-and-Drop-Funktionen. Diese Funktionen sind nicht nur für Menschen mit Behinderungen hilfreich, sondern verbessern die Benutzerfreundlichkeit für alle.
  3. Sorgfaltspflicht im B2B-Bereich: 
Wenn Sie im B2B-Bereich tätig sind, ist es wichtig, dass auch Ihre Partner und Lieferanten den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Obwohl das Gesetz hauptsächlich für verbraucherorientierte Dienstleistungen gilt, müssen Unternehmen möglicherweise auch ihre B2B-Dienste barrierefrei gestalten, wenn sie Kunden oder Mitarbeiter mit Behinderungen haben.
  4. Vermeidung von Overlays: 
Das BFSG stellt ausdrücklich klar, dass Barrierefreiheits-Overlays – Softwarelösungen, die Websites durch zusätzliche Funktionen wie Screenreader zugänglicher machen – allein nicht ausreichen, um die Einhaltung zu gewährleisten. Unternehmen müssen die grundlegenden Barrierefreiheitsprobleme direkt angehen, anstatt sich ausschließlich auf Drittlösungen zu verlassen.
  5. Vorbereitung auf regelmäßige Überprüfungen
: Nationale Behörden in der EU werden regelmäßig Überprüfungen durchführen, die Beschwerden oder Verstöße gegen die Vorschriften beinhalten können. Unternehmen müssen proaktiv vorgehen und öffentliche Nachweise darüber erbringen, wie sie die erforderlichen Standards einhalten.
     

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Fazit – Barrierefreiheit ist nicht nur eine Pflicht, sie bietet auch einen geschäftlichen Nutzen

Neben der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben gibt es auch wirtschaftliche Vorteile, die für eine Priorisierung und Umsetzung der Barrierefreiheit sprechen. Barrierefreie Websites erreichen ein breiteres Publikum, darunter Menschen mit Behinderungen, die einen erheblichen Teil der Weltbevölkerung ausmachen. Darüber hinaus schneiden barrierefreie Websites in Suchmaschinen besser ab, haben niedrigere Absprungraten und fördern ein stärkeres Kundenengagement.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass WCAG 2.2 und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz einen wichtigen Schritt in Richtung einer inklusiveren digitalen Welt darstellen. Für Unternehmen geht es dabei nicht nur darum, Strafen zu vermeiden – es geht darum, sicherzustellen, dass alle Benutzer, unabhängig von ihren Fähigkeiten, uneingeschränkt Zugang auf digitale Dienste haben. Durch proaktives Handeln können Unternehmen ihre Benutzererfahrung verbessern, die Kundenzufriedenheit steigern und ihren Markt erweitern. Da die Frist zur Einhaltung 2025 näher rückt, ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Unternehmen, aktiv zu werden!

FAQs zu WCAG 2.2, EAA und BFSG

Was sind die Hauptziele der WCAG 2.2?

Die Web Content Accessibility Guidlines 2.2 zielen darauf ab, Webinhalte für eine breitere Gruppe von Menschen mit Behinderungen zugänglicher zu machen, indem sie neue Erfolgskriterien für Benutzeroberflächen und Eingabemethoden einführen. Die Kernprinzipien bleiben dabei: Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.

Was ist der European Accessibility Act (EAA)?

Der Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit ist eine EU-Richtlinie, die seit Juni 2019 in Kraft ist und die darauf abzielt, die Barrierefreiheitsstandards innerhalb der Europäischen Union zu harmonisieren. Die Richtlinie betrifft dabei nicht nur Unternehmen mit Sitz in der EU, sondern jedes globale Unternehmen, das Produkte oder Dienstleistungen für Kunden in der EU anbietet. Der EAA legt Rahmenbedingungen fest und verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, diese in nationale Gesetze umzusetzen. Dadurch soll die Zugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen für alle Bürger innerhalb der EU, und insbesondere für Menschen mit Behinderungen, gefördert werden.

Wie stehen EAA und BFSG zueinander?

Der European Accessibility Act (EAA) bestimmt die Rahmenbedingungen, die von den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt werden müssen. Das BFSG (= Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) ist die deutsche Umsetzung dieser Richtlinie und legt spezifische Regelungen für Barrierefreiheit in Deutschland fest.

Welche Frist setzt das BFSG für die Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards?

Das BFSG verlangt, dass bis zum 28. Juni 2025 alle relevanten Produkte und Dienstleistungen die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. 

Welche Unternehmen sind vom BFSG betroffen?

Das BFSG gilt für alle Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher in Deutschland anbieten. Ausgenommen davon sind nur Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern oder einem Umsatz unter 2 Millionen Euro. 

Wie können Unternehmen die Anforderungen der WCAG 2.2 und des BFSG erfüllen?

Unternehmen sollten ein umfassendes Audit ihrer digitalen Produkte durchführen, um Barrieren zu identifizieren, und sicherstellen, dass ihre Angebote den neuen Erfolgskriterien der WCAG 2.2 entsprechen und den spezifischen Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgeseztes genügen.

Warum ist Barrierefreiheit nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch ein geschäftlicher Vorteil?

Barrierefreie Websites erreichen ein breiteres Publikum, verbessern die Benutzererfahrung, schneiden in Suchmaschinen besser ab und fördern ein stärkeres Kundenengagement, was letztendlich den Geschäftserfolg steigert.

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Beitrag von Philip Wiemer
Philip Wiemer steht an der Spitze des Digitalteams bei der mds und wandelt Ihre Unternehmensdaten in effiziente und automatisierte Geschäftsprozesse um. Sein Ziel ist es, diese digitale Transformation maßgeschneidert für Sie zu realisieren. Seine Stärken sind strategische Planung, starke Kommunikation und pragmatische Umsetzung.

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