Digitale ProduktinszenierungVirtual Reality gehört die Zukunft, da sind sich viele sicher. In Gaming und Entertainment ist die Technologie schon angekommen. Nun versucht sich auch der Onlinehandel.
Verzweifelt einen Parkplatz suchen und sich anschließend durch Menschenmassen kämpfen, nur um dann doch nichts Passendes zu finden – so sehen Shoppingtrips in belebten Städten allzu oft aus. Deshalb kaufen viele Kunden mittlerweile lieber online ein.
Doch Onlineshops haben einen Nachteil gegenüber ihren „analogen“ Pendants: Die Ware kann nicht richtig betrachtet, anprobiert und angefasst werden. Das soll sich nun durch die Verwendung von VR-Brillen ändern.
Google Cardboard und Smartphone-Brillen
Bisher kennen die meisten Virtual Reality eher als Marketinggag, zum Beispiel vom Messestand. Aber auch am POS ist VR auf dem Vormarsch. So haben Geschäfte wie Saturn und Ikea bereits Tests mit Virtual und Augmented Reality in ausgewählten Filialen laufen lassen. Das Kundenfeedback war mehr als positiv.
Dieses Potenzial sollte sich auch beim Kunden zu Hause verwirklichen lassen. Doch es gibt ein Problem. In den Geschäften sind meist High-End-Modelle wie die Oculus Rift oder HTC Vive im Einsatz. Die meisten Kunden haben die aber nicht zu Hause. Das große Hindernis ist hier der immer noch recht hohe Anschaffungspreis des Equipments: je um die 500 Euro. Auch VR-Peripherie wie etwa 360-Grad-Kameras ist noch relativ teuer. (Lesen Sie hierzu auch: Virtual Reality: Wo bleibt der Hype?)
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Günstig in andere Welten eintauchen mit dem Cardboard |
Deshalb konzentrieren sich die großen Konzerne derzeit noch auf Virtual Reality mithilfe des Smartphones, wie zum Beispiel bei Samsungs Gear VR. Dazu wird das Smartphone mithilfe einer Kopfhalterung (eben der „Brille“) direkt vor die Augen des Users platziert. Diese Technik kann zwar nicht mit der Qualität einer „echten“ Virtual-Reality-Brille mithalten, ist allerdings aufgrund des deutlich niedrigeren Preises (um die 130 Euro) auch für die breite Masse verfügbar.
Das seit Neuestem verfügbare Stand-alone-VR-Headset der Facebook-Tochter Oculus soll die Lücke zwischen diesen beiden Konzepten schließen. Die Oculus Go setzt auf hohe Bildqualität zu einem vertretbaren Preis (ab 219 Euro) – allerdings mit Abstrichen beim Tracking. HTC arbeitet mit der Vive Focus an einem ähnlichen Modell, das bis Jahresende gelauncht werden soll. Lenovo ist mit der teureren Mirage Solo bereits am Markt. Es bleibt spannend, abzuwarten, ob die Hersteller mit diesen Modellen eine breite Käuferschaft erreichen werden.
VR-Stores: Shoppen wie im echten Leben
Welche Möglichkeiten Virtual Reality im E-Commerce im Einzelnen bietet und wie man diese am besten umsetzt, haben die großen Onlinehändler schon gezeigt. Der chinesische Riese Alibaba und eBay haben bereits 2016 die ersten sogenannten VR-Stores vorgestellt. Es gab jedoch große Unterschiede bei der Umsetzung der Konzepte.
eBay hat sich für einen eher abstrakten Ansatz entschieden. Das Online-Auktionshaus hat den ersten VR-Store als App für iOS und Android konzipiert. In der App konnte man die Produkte in Kategorieblasen schweben sehen. Durch längeres Betrachten eines Produkts konnten Nutzer die Produktdetails sowie detailliertere Ansichten aufrufen.
Im Gegensatz zu diesen „abstrakten“ Kategorieblasen hat sich Alibaba mit dem Konzept „Buy+“ für mehr Realitätsnähe entschieden. In Zusammenarbeit mit Ketten wie Macy’s und Costco wurden real existierende Ladengeschäfte mit einer 360°-Kamera abfotografiert. Jetzt können VR-Anwender durch die virtuellen Repräsentationen dieser Läden spazieren und dort wie gewohnt einkaufen – quasi wie ein Google Street View zum Shoppen.
Es sieht so aus, als ob Alibaba mit seinem Konzept größeren Erfolg hat: Kunden fühlen sich im gewohnten Umfeld eines Ladengeschäfts wohler als in der Rolle einer schwebenden Entität. Noch dazu bietet dieses Konzept mehr Potenzial für Cross- und Up-Sellings. Die Möglichkeit, Produkte wie in einem echten Geschäft zu präsentieren und gruppiert aufzustellen, ist für Onlinehändler daher sehr verlockend.
Virtuelle Wohnzimmer, Umkleiden und Raumstationen
Nicht immer wird ein VR-Store gleich für das gesamte Sortiment benötigt. Manchmal reicht auch ein Teilbereich, je nachdem, um welche Produkte es sich handelt.
Virtuelle Umkleiden bieten für Kleidungsmarken und Händler die Chance, dem Kunden bereits vor dem Kauf zu zeigen, wie die Kleidung sitzt und welche Farben am besten zusammenpassen. Der potenzielle Käufer kann den Katalog einfach wie bei einem Kleiderschrank virtuell durchblättern und die Kleidungsstücke anprobieren. Dank entsprechendem Equipment kann die Kleidung dann auch aus verschiedenen Winkeln begutachtet werden. Modehäuser wie Zalando oder Otto experimentieren bereits mit einem derartigen Konzept.
Auch das Wohnzimmer kann man schon bald virtuell einrichten. Ikea hat bereits in mehreren Filialen das „IKEA VR-Einrichtungserlebnis“ vorgestellt. In diesem Testraum lassen sich per VR-Brille und Controller Möbelstücke und Accessoires aus den Kategorien Living und Küche auswählen und kombinieren. Zugriff hat man auf den gesamten Katalog – und vollkommen freie Hand bei der Konfiguration. Aus dem virtuellen Wohnzimmer lassen sich die Produkte dann direkt in den Warenkorb des Onlineshops packen.
Der Elektronikfachhändler Saturn arbeitet mit einem ähnlichen Konzept, nur dass man den „Virtual Saturn“ im Gegensatz zum Ikea-Pendant auch von zu Hause aus erleben kann. Hier lassen sich Fernseher und Surroundsysteme frei im Wohnzimmer verteilen. Alternativ kann man als Setting auch eine Raumstation auf dem Planeten Saturn wählen.
Autohersteller wie Audi, Volvo oder das amerikanische Start-up Vroom stellen ebenfalls bereits ihre Modelle in der virtuellen Realität vor. Hier lassen sich die Fahrzeuge individuell gestalten und ausstatten. Das gewünschte Modell kann dann mit entsprechender Lackierung, Bereifung und Innenausstattung aus allen Winkeln betrachtet werden – für die Kunden verlockend. Nur den Neuwagengeruch kann die VR-Brille leider noch nicht wiedergeben.
Virtual Reality: Unsere Zukunft oder vergänglicher Hype?
In Deutschland steckt das Einkaufen in der virtuellen Realität derzeit noch in den Kinderschuhen: Die Brillen sind noch nicht weitverbreitet. Virtual Reality ist den meisten aber ein Begriff und stößt in der Gesellschaft zunehmend auf Akzeptanz. Die Prognosen sagen einen hohen Anstieg im Virtual-Reality-Umsatz voraus, er soll sich in den nächsten drei Jahren fast verdreifachen.
Die größte Hürde für die Massenverfügbarkeit von VR bleibt die technische Qualität: Um wirklich in die virtuelle Welt einzutauchen, müssen die angebotenen VR-Stores und -Apps qualitativ hochwertig sein. Verpixelte Bilder und Ansagen vom Abspielband reichen da nicht aus.
Dafür ist das Smartphone mit seinen limitierten Fähigkeiten allerdings die falsche Grundlage. Deshalb müssen sich entweder Stand-alone-Modelle durchsetzen – oder die vollwertigen VR-Headsets erschwinglicher werden. Vorher wird sich die Technologie auch nicht in der breiten Gesellschaft etablieren.
Potenzial besteht aber, dass Virtual Reality unser Kaufverhalten langfristig beeinflussen wird – nicht in dem Sinne, was wir einkaufen, sondern wie wir einkaufen. In welcher Form VR-Stores am besten angenommen werden, muss sich allerdings erst noch zeigen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass VR mittelfristig als neues Medium seinen Platz in unserem Alltag finden wird.